Gesundes Organisationsdesign als Komponente des Ansatzes Gesunde Führung/ Health Leadership

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat Mitte Oktober den Arbeitszeitreport Deutschland 2016 vorgestellt. Danach werden die Arbeitszeiten flexibler – zu Lasten der Beschäftigten. 43 Prozent arbeiten laut Arbeitszeitreport 2016 mindestens einmal im Monat am Wochenende, 12 Prozent werden nach Feierabend kontaktiert. Überstunden sind in Deutschland an der Tagesordnung. Und das hat Auswirkungen. Um eine Organisation in diesem Umfeld widerstandsfähiger gegen Stress zu machen (Gesundes Organisationsdesign) bestehen umfangreiche Handlungsmöglichkeiten bei den Unternehmen und auch bei den Beschäftigten selbst. Dies stellt eine neue Herausforderung im Kontext Gesunder Führung (Health Leadership) dar.

Arbeitszeitreport 2016: im Überblick

Der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 basiert auf der Befragung von 20.000 Erwerbstätigen in Deutschland, die mindestens 10 Stunden pro Woche in ihrer Haupterwerbstätigkeit arbeiten. Zentrale Ergebnisse sind:

  • Abhängig Vollzeitbeschäftigte arbeiten durchschnittlich knapp fünf Stunden pro Woche länger als vertraglich vereinbart. Mit zunehmender Arbeitszeit steigt der Anteil der Beschäftigten, die über gesundheitliche Beschwerden berichten (insbesondere Rückenschmerzen, Erschöpfung und Schlafstörungen).
  • 40% der Beschäftigten sind mit ihrer aktuellen Arbeitszeit zufrieden. 50 % möchten jedoch ihre Arbeitszeit reduzieren (47%). Vor allem Vollzeitbeschäftigte wünschen sich, ihre Arbeitszeit zu reduzieren (55%).
  • Über ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten würde gerne länger arbeiten.
  • Die ständige Erreichbarkeit ist nicht nur bei Führungskräften ausgeprägt und nimmt weiter zu. Oft sind es auch Beschäftigte in einfacheren Tätigkeiten (vor allem im Dienstleistungsbereich), von denen Erreichbarkeit im Privaten erwartet wird.
  • Etwa vier von zehn Beschäftigten haben selber großen Einfluss darauf, wann sie mit ihrer Arbeit beginnen und sie beenden oder wann sie ein paar Stunden freinehmen.

Gestaltung der Arbeitszeit und Work-Life-Balance

Die Arbeitszeit als zentraler Bestandteil des Arbeitslebens hat direkte Auswirkungen auf das Privatleben. Die Gestaltung der Arbeitszeit bestimmt zu großen Teilen, welche Zeit für Erholung und für private Verpflichtungen zur Verfügung steht. Kann Einfluss auf die eigene Arbeitszeit genommen werden, und ist diese planbar, wirkt sich das körperlich und psychisch positiv aus. Entsprechend empfiehlt der Arbeitszeitreport Deutschland 2016, betriebliche Anforderungen und Mitarbeiterinteressen flexibel zu verbinden.

Und genau hier entsteht eine besondere Herausforderung. Während die Unternehmen die Flexibilitätsanforderungen an die Arbeitszeit gerne ausweiten möchten, um den Anforderungen einer dynamischeren und komplexeren Arbeitswelt verstärkt Rechnung zu tragen, wünschen sich Beschäftigte eine berechenbarere und reduzierte Arbeitszeit, um Arbeit und Privatleben, Kindererziehung oder die Pflege Angehöriger besser miteinander verbinden zu können.

In dieser Situation ist natürlich auch die Politik gefordert. Andererseits bestehen umfangreiche Handlungsmöglichkeiten bei den Unternehmen und auch bei den Beschäftigten selbst.

 

Bausteine einer stressresistenten Organisation

„Es wird immer noch oft nur verhaltensbezogen gearbeitet. Stressmanagement, Sportkurse, Ernährung – also alles, was der einzelne Mensch tun kann, steht im Fokus. Was noch immer zu wenig verfolgt wird, aber viel nachhaltiger wäre, ist, bei den Arbeitsbedingungen, dem Führungsklima und der Kommunikation im Unternehmen anzusetzen.“, formuliert es Thomas Rigotti, Professor für Arbeitspsychologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.

Diesen Gedanken führt Gunther Schmidt (Leiter der Privatklinik für Psychosomatik und Psychotherapie des sysTelios Gesundheitszentrums, Siedelsbrunn) weiter: „Burnout ist immer ein Zusammenspiel von inneren und äußeren Faktoren: individuelles Stressmanagement einerseits und Situationsbedingungen (z.B. Arbeitsklima/ Organisationstrukturen) andererseits. Auch stressresistente Menschen mit robusten Grundausstattungen und einem stabilen sozialen Umfeld können in schwierigen Organisationsstrukturen an Burnout erkranken. Burnout-Signale sind daher wichtige Informationen für eine Organisation, die signalisieren, was man an
• der Arbeitsverteilung,
• der Kommunikation und
• am Klima
verbessern kann.“

Aus diesen Erkenntnissen resultieren drei Bausteinen, mit denen sich im Rahmen von Gesunder Führung (Health Leadership) Organisationen widerstandsfähiger gegen Stress machen lassen (gesundes Organisationsdesign):

Gesundes Organisationsdesign als Aufgabe Gesunder Führung: Unternehmenskultur, gesunde Führung (Healthleadership) und gesunde (Selbst-)Führung
Gesundes Organisationsdesign als Aufgabe Gesunder Führung: Unternehmenskultur, gesunde Führung (Healthleadership) und gesunde (Selbst-)Führung

 

Unternehmenskultur: Leistung aus Kultur

Die Arbeitsbedingungen haben sich seit den 60er Jahren grundlegend verändert:
• mehr Wettbewerb,
• höhere Komplexität und Dynamik in einer vernetzten, überregionalen Wirtschaft,
• Liberalisierung und damit eine zunehmende Entgrenzung des Wirtschaftslebens,
• Technisierung,
• Individualität und Identität: Erfolg im Job als erstrebenswertes Lebensziel mit sinnstiftender Wirkung,
• hohe Intensität der Arbeit,
• Unwägbarkeit ohne langfristige Verlässlichkeit,
• Mobilität.

Und so leben wir in einer Leistungsgesellschaft in der das Prinzip Leistung ALS Kultur gilt. Nur der erste zählt: schneller, höher, weiter. Die Grenzen der Belastbarkeit werden aktuell mit der Zunahme der psychosozialen Erkrankungen deutlich. Nach einer aktuellen Erhebung der DAK vom Januar 2016 hat die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen erneut zugenommen, nachdem sie bereits 2014 einen Höchststand erreichte. Demnach entfielen knapp 17 Prozent aller Ausfalltage auf Depressionen, Angststörungen und andere psychische Leiden.

Ein Umdenken führt zu dem Prinzip der Leistungskultur im Sinne von Leistung AUS Kultur. Hierbei gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Leistung fördern. Denn das System Mensch ist per se ein Leistungssystem. Wir leisten gerne etwas und freuen uns dann über unseren Erfolg – im günstigen Fall. Denn jeder von uns verfügt über eine, mehr oder weniger stark ausgeprägte, Leistungsmotivation im Rahmen seiner intrinsischen Motivationsfaktoren.

Welche Komponenten eine derart gestaltete Leistungskultur beinhalten sollte, zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung:
• Klarheit über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und damit über die Sicherheit des Arbeitsplatzes,
• Flexible, aber planbare Arbeitszeiten: Work – Life – Balance,
• ein guter Chef/ gute Führung.

In einer Leistungskultur, im Sinne von Leistung aus Kultur, sollten damit die folgenden Prinzipien kulturprägend sein:
• ein angstfreie Atmosphäre, in der Fehler korrigiert, aber nicht sanktioniert werden,
• eine Kultur von Respekt und Anerkennung,
• durchschaubare und verlässliche Entscheidungen, herausfordernde Ziele und das Gefühl, dass ich als Beschäftigter es schaffen kann (z.B. durch das Vertrauen der Führung).

 

Gesunde Führung (Health Leadership)

Als Risikofaktoren für Burnout in Unternehmen und Organisationen sind laut Gunther Schmidt anzusehen:
• schwindende eigene Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten,
• mangelnde Transparenz,
• Entscheidungen, die als unfair empfunden werden,
• unklare Arbeitsaufträge,
• fehlende Anerkennung,
• zu wenig Ressourcen, um den Anforderungen gerecht zu werden/ die Arbeit zu bewältigen,
• ständige Umstrukturierungen,
eine hohe Arbeitsbelastung ist damit nicht per se ein Problem!

Gesunde Führung (Health Leadership) vermeidet die oben genannten Risikofaktoren und schafft eine Leistungskultur im Sinne von Leistung aus Kultur:
• sie gewährt Eigenverantwortung, die Arbeit zu organisieren,
• schafft Transparenz und nachvollziehbare, faire Entscheidungen,
• setzt herausfordernde Ziele und schafft klare Arbeitsaufträge (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung)
• erzeugt eine Kultur von Respekt und Anerkennung,
• sorgt für eine machbare Balance von Aufgaben und Ressourcen und
• schafft eine leistungsorientierte Balance zwischen Veränderung und Kontinuität.

 

Gesunde (Selbst-)Führung: Individuelles Stressmanagement

Der dritte Baustein in unserem Konzept des gesunden Organisationsdesign adressiert die individuelle Ebene des einzelnen Beschäftigten. Hier geht es um sechs Bausteine, die, konsequent angewendet, die persönliche Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft gegen Stress steigern bzw. erhalten, ohne dem Körper zu schaden.

Komponenten Gesunde Selbst-Fuehrung l Individuelles Stressmanagement
Komponenten Gesunde Selbst-Fuehrung l Individuelles Stressmanagement

Ausführlich ist dies in unserem letzten Newsletter „Gesunde (Selbst-) Führung: Mehr Power im Job – mehr Leistung und Erfolg am Arbeitsplatz ohne zusätzliche Belastung: die sechs Bausteine Ihrer optimalen Leistungsfähigkeit“ [zum Newsletter Gesunde (Selbst)-Führung)] beschrieben. Kernaussage ist hier: wer viel arbeitet, muss auch viel regenerieren.

Wer sein Unternehmen/ seine Organisation stressresistenter und leistungsfähiger machen möchte, kann dies durch den Aufbau und die Pflege einer Leistungskultur im Sinne von Leistung aus Kultur, gute Führung (Health Leadership) und Beschäftigte, die ausreichend Zeit für die Regeneration haben, erreichen. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei der Komponente Arbeitszeitgestaltung zu, die sowohl flexibel als auch planbar gestaltbar sein muss, wie der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 belegt.

******************************************************************

unser Seminarangebot zu gesunder Führung – Health Leadership:

Gesunde Führung

  Gesunde Führung – Health leadership: Wie man TOP Leistung erreicht und weder die Führungskraft noch die Mitarbeiter dauerhaft gestresst sind …

Motivationsmanagement: wissen, was Menschen wirklich bewegt

Systematische Führungskräfteausbildung für Nachwuchskräfte: vom Kollegen zum Chef!

 

Gesunde (Selbst-)Führung

Resilienztraining, Umgang mit Stress: Widerstandskraft und dauerhafte Leistungsfähigkeit

Selbst- und Zeitmanagement: Arbeitsweisen optimieren und Prioritäten erkennen für weniger Stress und mehr Effizienz

******************************************************************